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Dienstag, 12. Januar 2010

Positionspapier "Ein fliehendes Pferd"

Im Fernsehfilm „Ein fliehendes Pferd“ (1985, Regie Peter Beauvais) trifft das Ehepaar Helmut und Sabine Halm im Urlaub auf Helmuts alten Schulfreund Claus Buch und dessen Frau Helene. Beide Männer haben sich zu komplett unterschiedlichen Charakteren entwickelt und da die Freundschaft über die Jahre nie gepflegt wurde, reiben sich ihre Lebensentwürfe stets unausgesprochen aneinander. Der zurückgezogene, stille Halm führt mit seiner Sabine ein weitgehend interessen- und ereignisloses Leben, dem gegenüber stehen der draufgängerische, vielseitig interessierte und umtriebige Claus und dessen Frau Helene, genannt Hel, die sowohl ihre Aktivität auf dem Tennisplatz als auch die zwischen den Laken nur zu gerne betonen. Am Ende des Films gesteht Buch Halm bei einem Segeltörn zu zweit gewisse Unvollkommenheiten der Beziehung, kurz danach ertrinkt Buch scheinbar in den reißenden Fluten. Die von Buch empfundenen Unvollkommenheiten werden danach in einer anfänglichen Trauerrede von Hel schnell zu einer flammenden Dekonstruktion der Beziehung und der Film endet mit der überraschenden Rückkehr von Buch und der ebenso aprupten Rückkehr zur Normalität des Ehepaars Halm.

Mit der wenig pompösen, gemächlichen Erzählweise eines Fernsehfilms erhascht man einen Blick in das unspektakuläre Leben des Helmut Halm. Besonders die Eingangssequenz zeigt das Ehepaar Halm als durchschnittlich gelangweilt, durchschnittlich liebend und vor allem generell durchschnittlich. Man ist im Urlaub, man sitzt im Cafe, man hat eigentlich unterschiedliche Vorstellungen vom Zeitvertreib und ist schon so lange zusammen dass man Routine und Spießigkeit relativ gefahrlos im Alltag unterbringen kann.

Sowohl seine Frau Sabine, als auch das Ehepaar Buch fungieren innerhalb der Geschichte für mich nur als Illustrationen für Helmuts Abneigung gegen Neues und Veränderung. Gerade die beinahe nervenaufreibend plakativ dargestellte Perfektheit der Buchs lässt einen innerlich Partei für Helmuts, zugegeben, unspannende Person nehmen. Obwohl Sabine eine klar erkennbare Faszination für die Buchs, besonders für Claus, hegt, lässt sich Helmut auch dadurch nie wirklich aus der Ruhe bringen. Er liebt sein Leben wie es ist und möchte nichts daran ändern, nach 12 Jahren immernoch in dasselbe Ferienhaus am Bodensee fahren und dieselben Speisen im Restaurant bestellen. Buch kommt, trotz seiner Anstrengungen, an diesem lethargischen Schutzschild nicht vorbei. Die Buchs fassen täglich neue Pläne, sind sportlich sehr aktiv, verfolgen eine Art asketische Ernährungsweise und erfinden sich nach eigener Einschätzung stündlich neu.

Besonders am Ende ergibt sich durch den ruhigen Ton des Films ein spezieller Witz und Charme. Helmut möchte auf zu neuen Ufern und kauft Sportdress und Fahrrad, versucht die zeitweilig sehr unangenehme Begegnung mit Claus als Inspiration zu nutzen, vielleicht auch aus einem Schuldgefühl heraus seiner Person Tribut zu zollen. Nach Hels kleinem Zusammenbruch und Geständnis kehrt Buch jedoch völlig kommentarlos zurück, ebenso kommentarlos verschwindet Hel mit ihm in eine dem Zuschauer unbekannte Zukunft. Die leicht verstörten Halms finden innerhalb von Minuten zurück in ihre gemütliche, bequeme und altbekannte Welt.

Besonders schön hierbei die Wiederholung der Anfangsszene, diesmal jedoch trotz beinahe gleichem Verlauf und Wortlaut, ergänzt um liebevolle Zuwendung der beiden und die Erkenntnis, dass die Halms sich als Menschen mit all ihren Facetten (oder auch Nicht-Facetten) und vor allem als Paar sehr zu schätzen wissen und darüber glücklich sein dürfen. Die Buchs waren hierfür das kurze, aber intensive Lehrstück am lebenden Beispiel.

Mareen Fischer

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